Ende November letzten Jahres haben wir „Der schwarze Hund“ in der Trinkkuranlage in Bad Nauheim auf Einladung des Theater Alte Feuerwache gespielt. Die Journalistin Hanna von Prosch von der Wetterauer Zeitung war Zuschauerin und hat über unsere Produktion und unser Angebot eines anschließenden Nachgesprächs mit Experten berichtet.
Im Folgenden zitiere ich aus dem Artikel.
Wortlos aus dem Nebel
„[…] Faszination und Betroffenheit lagen im lange währenden Applaus des Publikums, das sich 90 Minuten lang mit den Stationen von Depression konfrontiert sah. Das Theater Alte Feuerwache (TAF) hatte seine ehemalige Mitspielerin und jetzige Freie Theaterpädagogin und Figurenspielerin Julia Raab mit ihrer Bühnenpartnerin Anja Schwede eingeladen. Ein Duo, das durch seine Bühnenpräsenz, seine vielfältigen Darstellungsformen und künstlerische Ausdruckskraft die Menschen mit dem Stück »Der schwarze Hund« buchstäblich in seinen Bann zog.
Als Angehörige sind beide vom Thema betroffen. Durch intensive Recherche […] konnten sie die Krankheit so hautnah nachempfinden, dass Zuschauer im anschließenden Gespräch sagten, manche Szenen seien fast nicht auszuhalten gewesen.
[…] Und dann kommt er, der Schwarze Hund. Die Station des Erkennens. Was einem lieb und wichtig ist, wird als roter Schuh oder rote Tasche dargestellt, bis das Monster – in großartigen, von den Darstellerinnen selbst gebauten Maskenvarianten – Besitz davon ergreift. Lichtreflexe verstärken die flashartigen Phasen. Der Schwarze Hund, in einen schweren Pelzmantel gesteckt, triumphiert. […]
Endlich taucht das Wort »Help!« auf, in einem Song von John Lennon: »I Need Somebody«. Doch der schwache Hilferuf wird übertönt vom höhnischen Lachen des Hundes, der letztendlich alle weiteren Versuche lähmt. Schlechte Nachrichten prasseln unentwegt herab. Lange wehrt man sich, den Schwarzen Hund in sein Bett zu lassen; erschütternd gespielt in einer Doppelmaske, die ständig ihr Gesicht wechselt.
Die vorletzte Szene gilt dem Kampf. Der selbstgerechte Hund geht von der Bühne in den Zuschauerraum und zeigt dort seinen verführerischen Bauchladen: »Hier gibt es doch bestimmt anfällige Kandidaten«, scheint er zu denken. Und ganz unrecht hat er wohl nicht, denn es gab Zuschauer, die sich angefasst fühlten.
Hinterher erzählten sie, dass sie nach einer erfolgreichen Therapie nun mit der Krankheit umgehen könnten. Auf der Bühne kämpft der Mensch in weißer Maske inzwischen gegen drei Kettenhunde, bis er aufgibt: »Ich kann nicht mehr.«
Doch das ist keine Option. Es gibt Wege. Statt Lösungen klappen Beispiele auf. Köpfe von Prominenten. Es klebt schon wieder ein wenig Rot an ihnen. Winston (Churchill), der Malende, braucht Charlie (Chaplin), den Schreibenden, zum Austausch.
Man muss darüber reden. »Akzeptiert, dass der Hund da ist, bietet ihm Kaffee und einen Stuhl an, gebt ihm Raum in Eurem Leben«: Ein Fazit, das die beiden großartigen Darstellerinnen mit ihrer unglaublich faszinierenden Bearbeitung des Stoffes allen Betroffenen mitgeben wollten. […]
Wetterauer Zeitung, Hanna von Prosch, 28.11.2023